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Der Stahl steht für ein natürliches, aber gleichwohl erst durch Bearbeitung entstandenesMaterial. Vongries setzt gegen die geometrische Strenge der geschmiedeten und gewalzten Stahlplatten mit ihren glatten Flächen die organischen Formen unbehandelten, roh gespaltenen Holzes. Holzstücke und in der Länge halbierte Baumstämme ergänzen oder durchdringen die Formen. Das Holz zeigt seine organisch gewachsenen Strukturen: Maserung, Spaltungsrauigkeit, die Sägefläche – die Spuren der Geschichte einer natürlich gewachsenen Materie, die nur grob zurechtgeschlagen oder gesägt ist.

Der Künstler hat keine Angst vor der großen, dadurch auch pathetischen Form. Es handelt sich um Objekte zwischen 1,4 bis zu 5 m Höhe, die zunächst vollständig im Kopf entwickeltwerden, bevor sie im Maßstab 1 : 10 als Modell Gestalt annehmen. Hierin ist Vongries seinem Vorbild, dem österreichischen Künstler, Architekten und Buchgestalter Walter Pichler (1936 – 2012) ähnlich, der seine Skulpturen in oft jahrelanger Arbeit behutsam undruhig entwickelte.

Skulpturen schaffen Räume, sind nur dreidimensional wirklich erfahrbar. Sie definieren Raum auch und vielleicht gerade dort, wo Leere zu sein scheint. Vor der Klosterpforte liegt ein 1,4 auf 1,4 Meter großer stählerner Kubus, der von zwei rohen Eichenscheiten durchstoßen wird.. Bei dieser Skulptur wird die Gegensätzlichkeit von Holzstamm und geformtem Eisen besonders erlebbar. „Cube“ – Würfel – lautet der Titel. An der baumgesäumten Geländekante zwischen zwei Wegen kurz vor der Klosterbuchhandlung erheben sich zwei senkrechte Trägerelemente, die zwei längs zersägte Hälften eines Baumstamms in der Luft schweben lassen. Sie schaffen im Park die Verbindung zwischen zwei Landschaftsräumen und bilden insofern ein Fenster. Zwischen den beiden riesigen Scheiten wird ein leerer Raum definiert, der in Spannung zu den schwebendenKörpern steht. Um ihn geht es in der Arbeit vor allem. „Large Space“ – großer Raum, nennt sich das Werk.

Stehen wir bei diesen so abstrakt-reizvollen Arbeiten vor auch thematischer Kunst? Anfang 2016 zeigte Vongries in der Pfarrkirche St. Dionysius in Havixbeck eine Skulptur, die ein riesiges – auf einen lanzettförmigen Stahl aufgespießtes Holzscheit zeigt. Im Kontext des Kirchenraumes lässt sich unwillkürlich an ein Kreuzigungsbild denken. Das hängende Holz wird zur Metapher des menschlichen Körpers. Auf der Fährte des Gegensatzes von Körperlichkeit und Ordnung, ergeben sich weitere Assoziationen bei Vongries’ Objekten. Vor die bemerkenswerte Architektur des Neubaus von Josef Paul Kleihues aus dem Jahre 1987 platziert Vongries seine 5 Meter hohe „Large Column“. Hier scheinen sich die zwei überlebensgroßen Holzscheite aneinander zu reiben, wirken sie wie von der schmalen, leichten Trägerkonstruktion empor gehoben. Die versetzte, hoch über dem Boden angeordnete Hängung und die sie überragende Stange sind in eine Dynamik gebracht, die an einen Aufstieg denken lässt. Eingerahmt von altem Baumbestand vor der Abteikirche lädt die Besucher die Skulptur„Little Space“ zu einem Blick durch den ‚kleinen Spalt‘ ein. So gerät die Klosterpforte einladend ins Visier. In einer senkrecht aufgestellten Stahlplatte von 1,2 x 2 Meter ist ein Rechteck ausgeschnitten, das zwei halbierte Baumstücke aufnimmt. Die gespaltenen Hälften sind mit ihren Außenseiten zueinander gedreht und geben einen Durchblick frei. Die beiden Holzkörper treten in Beziehung. Der Raum zwischen ihnen hält die Spannung und bietet Spielraum zu Interpretation.

So können die so abstrakten Skulpturen auch thematisch gelesen werden. Und doch ist es vor allem der formale Reiz der Formen in der Umgebung der Natur des Klostergeländes, der über Kontraste nachdenken lässt: leicht und schwer, geometrisch und kreatürlich, scharfwinklig und krumm, glatt und schrundig, ein- und vielfarbig, statisch und dynamisch, kalt und warm, geschlossen und offen, Natur und Nichtnatur, Mensch und Ding, Bindung und Freiheit, Kreatürlichkeit und Konvention, Zusammenhang und Differenz. Das sind Gegensatzpaare, die sich in der Betrachtung der zumeist gedoppelten Skulpturenelemente einstellen mögen.

 

Prof.Dr. Thomas Sternberg